Protokoll über die
Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 31. Januar 1967
(In Kraft getreten am 4. Oktober 1967)
Die Vertragsstaaten dieses Protokolls,
In der Erwägung, dass das am 28. Juli 1951
in Genf beschlossene Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge
(im Folgenden als das Abkommen bezeichnet) nur auf Personen Anwendung
findet, die infolge von vor dem 1. Januar 1951 eingetretenen Ereignissen
Flüchtlinge geworden sind,
In der Erwägung, dass seit Annahme des Abkommens
neue Kategorien von Flüchtlingen entstanden sind und dass die betreffenden
Flüchtlinge daher möglicherweise nicht unter das Abkommen
fallen,
In der Erwägung, dass es wünschenswert
ist, allen Flüchtlingen im Sinne des Abkommens unabhängig
von dem Stichtag des 1. Januar 1951 die gleiche Rechtsstellung zu gewähren
-
sind wie folgt übereingekommen:
Artikel 1
Allgemeine Bestimmung
1. Die Vertragsstaaten dieses Protokolls verpflichten sich, die Artikel
2 bis 34 des Abkommens auf Flüchtlinge im Sinne der nachstehenden
Begriffsbestimmung anzuwenden.
2. Außer für die Anwendung des Absatzes 3 dieses
Artikels bezeichnet der Ausdruck "Flüchtling" im Sinne
dieses Protokolls jede unter die Begriffsbestimmung des Artikel 1 des
Abkommens fallende Person, als seien die Worte "infolge von Ereignissen,
die vor dem 1. Januar 1951 eingetreten sind, und ..." sowie die
Worte "... infolge solcher Ereignisse" in Artikel 1 Abschnitt
A Absatz 2 nicht enthalten.
3. Dieses Protokoll wird von seinen Vertragsstaaten ohne
jede geographische Begrenzung angewendet; jedoch finden die bereits
nach Artikel 1 Abschnitt B Absatz 1 Buchstabe a) des Abkommens abgegebenen
Erklärungen von Staaten, die schon Vertragsstaaten des Abkommens
sind, auch auf Grund dieses Protokolls Anwendung, sofern nicht die Verpflichtungen
des betreffenden Staates nach Artikel 1 Abschnitt B Absatz 2 des Abkommens
erweitert worden ist.
Artikel 2
Zusammenarbeit der staatlichen Behörden mit den Vereinten Nationen
1. Die Vertragsstaaten dieses Protokolls verpflichten sich zur Zusammenarbeit
mit dem Amt des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen
oder jeder ihm etwa nachfolgenden anderen Stelle der Vereinten Nationen
bei der Ausübung ihrer Befugnisse, insbesondere zur Erleichterung
ihrer Aufgabe, die Anwendung des Protokolls zu überwachen.
2. Um es dem Amt des Hohen Kommissars oder jeder ihm etwa
nachfolgenden anderen Stelle der Vereinten Nationen zu ermöglichen,
den zuständigen Organen der Vereinten Nationen Berichte vorzulegen,
verpflichten sich die Vertragsstaaten dieses Protokolls, ihnen in geeigneter
Form die erbetenen Auskünfte und statistischen Angaben zu liefern
über
a) die Lage der Flüchtlinge,
b) die Durchführung dieses Protokolls,
c) die Gesetze, Verordnungen und Verwaltungsvorschriften, die in Bezug
auf Flüchtlinge jetzt in Kraft sind oder künftig in Kraft
sein werden.
Artikel 3
Auskünfte über innerstaatliche Rechtsvorschriften
Die Vertragsstaaten dieses Protokolls teilen dem Generalsekretär
der Vereinten Nationen den Wortlaut der Gesetze und sonstigen Rechtsvorschriften
mit, die sie gegebenenfalls erlassen werden, um die Anwendung dieses
Protokolls sicherzustellen.
Artikel 4
Beilegung von Streitigkeiten
Jede Streitigkeit zwischen Vertragsstaaten dieses Protokolls über
dessen Auslegung oder Anwendung, die nicht auf andere Weise beigelegt
werden kann, wird auf Antrag einer der Streitparteien dem Internationalen
Gerichtshof unterbreitet.
Artikel 5
Beitritt
Dieses Protokoll liegt für alle Vertragsstaaten des Abkommens und
jeden anderen Mitgliedstaat der Vereinten Nationen oder einer ihrer
Sonderorganisationen sowie für jeden Staat zum Beitritt auf, der
von der Vollversammlung eingeladen wurde, dem Protokoll beizutreten.
Der Beitritt erfolgt durch Hinterlegung einer Beitrittsurkunde beim
Generalsekretär der Vereinten Nationen.
Artikel 6
Bundesstaatsklausel
Für Bundes- oder Nichteinheitsstaaten gelten folgende Bestimmungen:
a) soweit für bestimmte Artikel des Abkommens, die
nach Artikel I Absatz 1 dieses Protokolls anzuwenden sind, der Bund
die Gesetzgebungszuständigkeit besitzt, hat die Bundesregierung
die gleichen Verpflichtungen wie die Vertragsstaaten, die nicht Bundesstaaten
sind;
b) soweit für bestimmte Artikel des Abkommens, die
nach Artikel I Absatz 1 dieses Protokolls anzuwenden sind, die einzelnen
Länder, Provinzen oder Kantone, die Gesetzgebungszuständigkeiten
besitzen, ohne nach der Verfassungsordnung des Bundes zum Erlass von
Rechtsvorschriften verpflichtet zu sein, bringt die Bundesregierung
diese Artikel den zuständigen Stellen der einzelnen Länder,
Provinzen oder Kantone so bald wie möglich befürwortend zur
Kenntnis;
c) richtet ein Vertragsstaat dieses Protokolls über
den Generalsekretär der Vereinten Nationen eine Anfrage hinsichtlich
des Rechts und der Praxis des Bundes und seiner Glieder in Bezug auf
einzelne Bestimmungen des Abkommens, die nach Artikel I Absatz 1 des
Protokolls anzuwenden sind, an einen Bundesstaat, der Vertragsstaat
des Protokolls ist, so legt dieser eine Darstellung vor, aus der ersichtlich
ist, inwieweit diese Bestimmungen durch den Erlass von Rechtsvorschriften
oder durch sonstige Maßnahmen wirksam geworden sind.
Artikel 7
Vorbehalte und Erklärungen
1. Im Zeitpunkt seines Beitritts kann jeder Staat zu Artikel IV dieses
Protokolls und zur Anwendung jeder Bestimmung des Abkommens - mit Ausnahme
der Artikel 1, 3, 4, 16 Absatz 1 und 33 - nach Artikel I des Protokolls
Vorbehalte machen, jedoch unter der Voraussetzung, dass im Falle eines
Vertragsstaates des Abkommens die nach dem vorliegenden Artikel gemachten
Vorbehalte sich nicht auf Flüchtlinge erstrecken, für die
das Abkommen gilt.
2. Die von Vertragsstaaten des Abkommens nach dessen Artikel
42 gemachten Vorbehalte finden, sofern sie nicht zurückgezogen
werden, hinsichtlich ihrer Verpflichtungen aus diesem Protokoll Anwendung.
3. Jeder Staat, der einen Vorbehalt nach Absatz 1 dieses
Artikels macht, kann ihn jederzeit durch eine an den Generalsekretär
der Vereinten Nationen gerichtete diesbezügliche Mitteilung zurückziehen.
4. Erklärungen, die ein diesem Protokoll beitretender
Vertragsstaat des Abkommens nach dessen Artikel 40 Absätze 1 und
2 abgibt, gelten auch in Bezug auf das Protokoll, sofern nicht der betreffende
Vertragsstaat bei seinem Beitritt eine gegenteilige Notifikation an
den Generalsekretär der Vereinten Nationen richtet. Artikel 40
Absätze 2 und 3 und Artikel 44 Absatz 3 des Abkommens gelten entsprechend
für dieses Protokoll.
Artikel 8
Inkrafttreten
1. Dieses Protokoll tritt am Tage der Hinterlegung der sechsten Beitrittsurkunde
in Kraft.
2. Für jeden Staat, der dem Protokoll nach Hinterlegung
der sechsten Beitrittsurkunde beitritt, tritt es an dem Tage in Kraft,
und dem der betreffende Staat seine Beitrittsurkunde hinterlegt.
Artikel 9
Kündigung
1. Jeder Vertragsstaat dieses Protokolls kann es jederzeit durch eine
an den Generalsekretär der Vereinten Nationen gerichtete Notifikation
kündigen.
2. Die Kündigung wird für den betreffenden Vertragsstaat
ein Jahr nach dem Tage wirksam, an dem sie dem Generalsekretär
der Vereinten Nationen zugegangen ist.
Artikel 10
Notifikation durch den Generalsekretär der Vereinten Nationen
Der Generalsekretär der Vereinten Nationen notifiziert allen in
Artikel V bezeichneten Staaten den Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses
Protokolls, des Beitritts sowie der Hinterlegung und Zurücknahme
von Vorbehalten zu demselben, der Kündigung sowie der darauf bezüglichen
Erklärungen und Notifikationen.
Artikel 11
Hinterlegung des Protokolls im Archiv des Sekretariats der Vereinten
Nationen
Eine Ausfertigung dieses Protokolls, dessen chinesischer, englischer,
französischer, russischer und spanischer Wortlaut gleichermaßen
verbindlich ist, wird nach Unterzeichnung durch den Präsidenten
der Vollversammlung und dem Generalsekretär der Vereinten Nationen
im Archiv des Sekretariats der Vereinten Nationen hinterlegt. Der Generalsekretär
übermittelt allen Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen und den
anderen in Artikel V bezeichneten Staaten beglaubigte Abschriften.
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