IRAN-FORUM Nr. 21/22 Juli/August 1990 | Seite 8 |
Wir klagen an
Wir Iraner klagen die Informationspolitik der Massenmedien und das ewige Schweigen der
Bundesregierung, politischen Parteien, verantwortlichen Politikern, Publizisten, Schriftstellern
und nicht zuletzt der Journalisten in der Bundesrepublik Deutschland an.
Laut Amnesty international vom 1.8. Mai 1990 in London, beabsichtigt der Generalstaatsanwalt von
Teheran Herr Yazdi (ein Mullah) in den nächsten Tagen oder Wochen die Hinrichtung der folgenden
iranischen Frauen und Männer, die zum Teil seit 7 Jahren im Kerker sitzen, zu vollstrecken. Die
Betroffenen sind:
Frauen:
Dr. med. Mitra Ameli,
Dr. med. Fateme Izadi,
Dr. Maryame Firuz, (Schriftstellerin, 75 Jahre alt),
Oberstudienrätin Zohre Ghaeni,
Malake Mohamadi (Journalistin 65 Jahre alt),
Nahid Drudiahi (Hausfrau - ihr Mann schon 1988 hingerichtet),
Faterne Hossein-Zade (Hausfrau - ihr Mann schon 1988 hingerichtet),
Oberstudienrätin Zohre Tonkaboni.
Männer:
Oberstleutnant der Luftwaffe Bahram Jkai,
Oberstleutnant Ali Gilani,
Oberstleutnant Massud Babai,
Leutnant der Marine Ghahreman Malakzade,
Bahman Aghai (Rechtsexperte im Außenministerium),
Dipl.-Ing. Massud Didewar,
Dipl.-Ing. Djamschid Amiri,
Dr. Manutschehr Azar (Jurist),
Dr. Heschmatolah Maghsudi (Jurist),
Mehdi Abbaszade, Gholamhosein Rezazade, Rasul Khatibi, Siamak Amani, Abdolah Scheibani,
Djawad Tschehr.
Seit fast einer Woche befindet sich Herr Radjai Khorassani, stellvertretender
Außenminister Irans, mit einer Delegation in Bonn und führt Wirtschafts- und politische Gespräche
mit den Vertretern der Bundesregierung. Warum informiert die Presse- und Informationsabteilung
der Bundesregierung die deutsche Öffentlichkeit nicht, welche Gespräche sie mit den Vertretern
eines totalitären und mörderischen Regimes geführt haben? Die deutsche Öffentlichkeit und die
iranische Opposition im Gastland haben das Recht, von der Bundesregierung und vor allem von
Herrn Außenminister Hans-Dietrich Genscher zu erfahren, ob sie bei ihren Gesprächen mit
den Vertretern des Terrorregimes im Iran, die ständigen Menschenrechtsverletzungen, tagtäglichen
Folterungen und Hinrichtungen der politisch anders Denkenden geächtet und verurteilt haben?
Wenn ja, warum teilen sie dies der Öffentlichkeit nicht mit?
Warum berichten das Fernsehen, die Presse und die Journalisten in den letzten Monaten kaum
etwas über die politischen Ereignisse im Iran? Ist der Iran in der journalistischen Berichterstattung
ein weißer Fleck geworden? Wir stellen in aller Deutlichkeit fest, daß vor allem die Presse und
Journalisten im Falle Irans ihre Informationspflicht längst nicht nur versäumt, sondern kläglich
versagt haben. Wir möchten die verantwortungsbewußten Politiker aller Parteien dieses Landes
fragen, warum sie so gleichgültig über das Verbrechen des faschistischen Mullah-Regimes im Iran
hinwegsehen und das geschehene Unrecht in unserem Lande totschweigen?
Gibt es einen Unterschied in der Beurteilung und Verurteilung des
Unrechts in Südafrika, DDR, Tschechoslowakei, Polen und Rumänien, wo sie alle
vor lauter Hingabe und Anteilnahme tagtäglich miteinander konkurrieren und sich
sogar bei der Berichterstattung überschlagen, aber im Falle des Unrechts im
Iran lähmend negieren. Sind vielleicht Iraner Menschen zweiter Klasse? Wie
lange und wieviele Opfer müssen politisch anders denkende Iraner noch
aufbringen, bis sie erwachen und diesem seit 11 Jahren unterdrückten und
unterjochten Volk ein Zeichen der Menschlichkeit und Barmherzigkeit setzen?
Reichen ihnen die über 30.000 hingerichteten tapferen Frauen und Männer während
der elf jährigen Mullah-Herrschaft im Iran nicht? Wo bleibt ihre humane und
moralische Verpflichtung gegenüber den entrechteten und entwürdigten
Menschen?
Wo bleibt die Stimme der Freiheit, Brüderlichkeit und Gleichheit, wenn sie sich
ungeniert mit den Sklavenhaltern, Mördern und Folterern eines barbarischen
Regimes an einen Tisch setzen und die diplomatischen Gepflogenheiten pflegen?
In dieser verzweifelten politischen Situation bleibt leider uns Iranern nichts
anderes übrig, als erneut unsere lautlosen Appelle an die Macht- und Würdenträger
dieses Landes zu wiederholen, mit der schwindenden Hoffnung, daß vielleicht
eines Tages auf die heute abseits stehenden politisch Schwachen und
psychisch zum Teil Gebrochenen Rücksicht genommen wird.
In diesem Sinne fordern wir Iraner alle demokratischen Kräfte und Institutionen
sowie insbesondere Herrn Bundespräsident Richard von Weizsäcker, Herrn
Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl, Herrn Außenminister Hans-Dietrich Genscher,
Frau Bundestagspräsidentin Prof. Rita Süßmuth, Herrn Willy
Brandt, Ehrenvorsitzender der SPD, Partei- und Fraktionsvorsitzende der
Parteien im Deutschen Bundestag, Presse, Funk und Fernsehen, Publizisten,
Schriftsteller und nicht zuletzt die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes auf,
endlich ihr beleidigendes und inhumanes Schweigen über die Barbarei des blutrünstigen
Mullah-Regimes im Iran zu brechen.
Je länger Ihr arrogantes Schweigen andauert, um so mehr unschuldige Menschen
werden in den Kerkern Irans mißhandelt, gefoltert und hingerichtet. Soll
dieses Verbrechen der Preis dafür sein, damit die Mullahs in Teheran nicht verärgert
werden und weiterhin die Milliardengeschäfte mit Ihrem Lande abgewickelt
werden?
Wir hoffen nicht, und deshalb bitten wir Sie alle, solidarisieren Sie sich mit
der iranischen Nation, auch wir wollen in Freiheit und Frieden leben. Es darf
nicht um uns still werden. Helft uns und vergeßt unser Volk nicht.
Wer schweigt macht sich schuldig.
Aktion 21. Ordibehescht (11. Mai 1990) zur Verteidigung der Menschenrechte und
Freiheit der iranischen Frauen
Kontaktadresse: Postfach 29 0319, 5000 Köln 1,
Tel. 02203/3 89 33
Solidarische Bewegung der Iraner für Freiheit und Demokratie Postfach 21 20,
5948 Schmallenberg 2.